Angehörige von Depressiven stellen sich oft die Frage, wie sie sich im Umgang mit den Betroffenen verhalten sollen.
Hier ein paar Tipps, die ich dem Buch
Mit dem schwarzen Hund leben. Wie Angehörige und Freunde depressiven Menschen helfen können, ohne sich dabei selbst zu verlieren von Matthew und Ainsley Johnstone entnommen habe:
(aus: Johnstone, Matthew und Ainsley: Mit dem schwarzen Hund leben. Antje Kunstmann-Verlag, 2009)
Josef Giger-Bütler gibt in seinem Buch »Wir schaffen es: Leben mit dem depressiven Menschen" sehr viele nützliche Tipps mit an die Hand, wie man in dieser schwierigen Situation miteinander umgehen und auch mit seinen Gefühlen klarkommen kann.
Hier möchte ich jetzt selbst noch ein paar "Tipps" aus meiner Zeit der Depression geben, da ich selber betroffen war.
Ich weiß, das Leben mit einem Depressiven ist nicht leicht.
Ich habe sehr großes Verständnis für den Kummer der Angehörigen.
Das ist eine sehr belastende Situation.
An dieser Stelle sind einige Bitten an dich, die ich aus eigener Erfahrung hier niederschreibe:
Rat-schläge sind Schläge. Diesen Ausdruck hast du sicher schon einmal gehört, er ist ja in aller Munde. Dasselbe gilt für Aufmunterungen, Belehrungen, Vorwürfe und Verurteilungen jeglicher Art.
In den Ohren eines Betroffenen klingen sie wie blanker Hohn:
Es ist richtig, manch ein Ratschlag mag gut gemeint sein, aber er nützt nicht.
Lies hierzu auch: Welches Verhalten mit echtem Mitgefühl (Empathie) nichts zu tun hat.
Wenn sich der Depressive mal an Dich wenden sollte, um Dir von sich aus etwas zu erzählen, dann hör ihm / ihr auch zu. Tu niemals so, als würdest du zuhören, wenn du genervt bist und keine Lust oder Zeit dazu hast.
Mitleid kommt von mit-leiden.
Was wirklich hilft, ist echtes Mitgefühl (Empathie), bei dem sich Menschen auf Augenhöhe begegnen.
Unter Umständen hältst du das Mit-Leid(en) mit dem Anderen nicht mehr aus. Du verlierst die Geduld (denn du kennst ja die Lösung, ist ja alles so einfach). Du reißt das Problem an dich und versuchst es selbst für den Depressiven zu lösen (damit du endlich deine Ruhe und deinen Frieden findest, denn das alles belastet dich doch sehr).
Damit ist dem Depressiven jedoch nicht geholfen, da allein er oder sie aktiv werden und selbst für sich eine Lösung finden muss.
Es kann sein, dass du dich mit dem Betroffenen über-identifizierst.
Womöglich hast du keine eigenen, klaren Grenzen.
Dies beinhaltet die Fragen:
Bei unklaren Grenzen zwischen zwei Personen kann Folgendes geschehen:
Du tauchst völlig in das "negative Energiefeld" des Anderen ein, saugst dich voll mit der quälenden Stimmung des Anderen wie ein nasser Schwamm, und stürzt dich kopfüber in den Sog des Leids, von dem du fast verschlungen wirst.
Du fühlst dich energielos, als wäre dir deine Lebenskraft ausgesaugt worden. (Dies kann auch bei wirklichen "Energie-Räubern" passieren.)
Wenn du keinen klaren Schutz um deine Person aufgebaut hast (und fragil bist), dann hast du wirklich ein Problem und solltest dich erst einmal um dich selbst als um den Depressiven kümmern.
Denn was geschehen kann, wenn die Grenzen von Du und Ich fallen, zeigt der nächste Punkt. Es ist auch eine erneute Bitte an dich.
Ertrink nicht im Leid des Depressiven, indem du selbst anfängst, vor Hilflosigkeit und Verzweiflung zu weinen.
(Dich ausweinen kannst du bei einer guten Freundin / einem guten Freund oder in einer Beratungsstelle.)
Glaubst du, der Depressive wird sich dadurch besser fühlen?
Oder es wäre euch beiden auf irgendeine Weise geholfen?
Der Depressive fühlt sich hilflos genug.
Eine zweite hilflose Person erträgt der Depressive nicht.
Der Betroffene wird sich vielleicht noch schuldiger fühlen.
Er oder sie kann nicht auch noch deine Last, deinen Kummer und deine Sorgen mittragen. Der Depressive hat genug mit sich selbst zu tun.
Hol dir Hilfe, falls du merkst, dass du deine Gefühle (aufgrund eigener wunder Punkte / eigener schwieriger Kindheitsgeschichte) nicht klar von denen des Depressiven unterscheiden und abgrenzen kannst.
Hol dir therapeutische Unterstützung, wenn du dich hilflos, ohnmächtig und verzweifelt fühlst und du denkst, dass du selbst depressiv (geworden) bist, weil du deinem depressiven Angehörigen nicht helfen kannst.
(Lies hierzu auch den Beitrag:
Psychotherapie - ein persönliches Versagen? )
Weinen kann eine (wahrscheinlich unbewusste, aber gut funktionierende) passiv-aggressive Strategie sein, um von dem Problem des Gegenübers abzulenken und sich dieses nicht anhören zu müssen (Weinen aus Genervtheit, Gereiztheit oder Wut.)
Die oben genannten "negativ-besetzten Gefühle" darf der Weinende sich nicht erlauben zu zeigen, da es ein (wahrscheinlich in der Kindheit und aus einem bestimmten Rollenverständnis heraus) unerwünschtes "strafbares" Verhalten (war) wäre. Weinen ist (was Frauen betrifft) auch heute noch in weiten Teilen der Gesellschaft eher erlaubt als offen Aggression oder Wut zu zeigen und wird nicht so schnell sanktioniert.
Vom Umgang mit der Wut in der Paartherapie
(siehe Seite 5 und 6 der Leseprobe)
Ob ein Weinen tatsächlich "echt" ist oder aus manipulativen Zwecken eingesetzt wird, erkennt man daran, ob man mit dem Weinenden mitfühlt (Empathie empfindet) oder selbst wütend wird.
Bei letzterem Fall könnte es sich tatsächlich um Manipulation handeln.
Die komplette Aufmerksamkeit wird nun vom Problem des Depressiven weggelenkt und auf das Heulen des "Gesunden" umgelenkt. Wodurch der "Gesunde" nun von seinem Umfeld (oder sogar von dem Depressiven selbst) "getröstet" und bemitleidet werden darf. Die eigene Thematik des Depressiven rückt nun ("zum Glück") in den Hintergrund.
YES!!! STRIKE!!!
(1:0 für den heulenden Gesunden!)
Bei solch "gut inszenierten Wein-Einlagen" kann es dann auch durchaus vorkommen, dass das Umfeld dem Depressiven die Schuld an dem Leid des "Gesunden" gibt:
"Sieh nur, was du wieder mit ... (z.B. deiner armen Mutter) angestellt hast!
Jetzt hast du sie wieder zum Weinen gebracht."
Diskussions-Forum "Weinen auf Kommando"
Ganz bestimmt wunderst du dich nicht, dass ich hier auf das Thema Wut zu sprechen komme.
Es ist nur allzu verständlich, dass sich "die Gesunden" hilflos, ohnmächtig und manchmal (oder oft?) wütend bezüglich ihrer depressiven Angehörigen fühlen.
Sie wissen nicht, was sie tun sollen, fühlen sich verzweifelt und überfordert, in manchen Fällen auch schuldig, und könnten sicherlich manchmal "platzen vor Wut" über die sture, verbohrte, schwerfällige, pessimistische, lähmende Art ihres Gegenübers.
Ich denke, dass du deinen Angehörigen wahrscheinlich am liebsten packen, schütteln und anschreien würdest: "Wach auf! Tu was! Beweg dich! Krieg deinen Hintern hoch! Hör auf dich so gehen und hängenzulassen und dich selbst zu bemitleiden. Ich halte das nicht mehr aus!"
So oder so ähnlich. Vielleicht können dir die vorgestellten Bücher ein wenig weiterhelfen.
1. Liv Larsson: Wut, Schuld und Scham: Drei Seiten der gleichen Medaille. Junfermann-Verlag, 23. Mai 2012
2. Dr. med. Daniel Dufour: Wut ist gut! Wie unsere Emotionen uns helfen und heilen können. Mankau-Verlag, 10. April 2014
3. Harriet Goldhor Lerner und Olga Rinne: Wohin mit meiner Wut? Neue Beziehungsmuster für Frauen. Fischer-Verlag, 20. September 2001
4. Udo Baer und Gabriele Frick-Baer: Der kleine Ärger und die große Wut (Bibliothek der Gefühle). Beltz-Verlag, 21. Januar 2014
5. Doris Wolf und Rolf Merkle: Gefühle verstehen, Probleme bewältigen: Eine Gebrauchsanleitung für Gefühle. pal-Verlag, 2012
6. Udo Baer und Gabriele Frick-Baer: Schuldgefühle und innerer Frieden (Bibliothek der Gefühle). Beltz-Verlag, 9. April 2015
In meinem Blog DEPRESSION PLUS stelle ich in meinem Beitrag "Wie entstehen Schuldgefühle?" und "Schuldgefühle ohne Schuld" das Buch "Schuldgefühle und innerer Frieden" von Udo Baer und Gabriele Frick-Baer kurz vor. Weiterlesen...
7. Udo Baer und Gabriele Frick-Baer: Das ABC der Gefühle (Bibliothek der Gefühle). Beltz-Verlag, 28. Oktober 2014
8. Marshall B. Rosenberg: Was deine Wut dir sagen will: Überraschende Einsichten: Das verborgene Geschenk des Ärgers entdecken. Gewaltfreie Kommunikation: Die Ideen und ihre Anwendung. Junfermann-Verlag, 16. August 2013
9. Doris Wolf: Ab heute kränkt mich niemand mehr. pal-Verlag, 14. Mai 2003
Literatur zum Thema Depressionen findest du, wenn du unten auf den Link klickst.
Weitere Hilfe findest du in Selbsthilfenetzen, Chats und Foren, in denen du dich mit anderen Angehörigen oder Betroffenen austauschen kannst. Schau doch einfach mal rein. Viel Erfolg!
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