Anmerkung:
In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich auf die Bücher des Psychotherapeuten Dr. Josef Giger-Bütler, die im Beltz-Verlag erschienen sind.
Zum Einen ist da das Buch "Depression ist keine Krankheit - Neue Wege, sich selbst zu befreien" (herausgegeben 2012). Zum Anderen "Sie haben es doch gut gemeint - Depression und Familie" (herausgegeben 2003).
Das erst genannte Buch werde ich fortan, wenn ich daraus zitiere, mit der Ziffer (1) kennzeichnen, das zweite mit der Ziffer (2).
Die hier niedergeschriebenen Informationen habe ich mit bestem Wissen und Gewissen zusammengetragen.
Ich hoffe, dass ich Herrn Giger-Bütlers Aussagen in dieser wirklich sehr kurzen Zusammenfassung richtig darstellen werde.
Falls ich irgendetwas nicht korrekt ausführen sollte, so kann Herr Giger-Bütler mich sehr gerne kontaktieren ;-) und auch du, lieber Leser, liebe Leserin, kannst mir sehr gerne eine Email schreiben.
Im Folgenden gebe ich dir jetzt einen kleinen Einblick in das, was Dr. Giger-Bütler (aufgrund langjähriger Erfahrung in der Behandlung von Depressiven in seiner psychotherapeutischen Praxis) herausgefunden hat.
Die Frage ist - für mich an dieser Stelle - nicht so einfach zu beantworten, da Herr Giger-Bütler in den Büchern, die ich vorstelle, hauptsächlich über eine depressive Entwicklung vom Kindes- bis ins Erwachsenenalter schreibt. In einer Extrem-Situation, die man als Erwachsener erfährt (traumatisches Erlebnis / Erkrankung / Todesnähe) ist eine tiefe Niedergeschlagenheit selbstverständlich bei jedem möglich, und aus einer tiefen Bedrücktheit kann auch eine Depression werden. Aber nicht jeder, der ein belastendes Ereignis oder einen Schicksalsschlag erlebt, wird depressiv.
Somit müssen wohl tatsächlich bestimmte Voraussetzungen für eine Depression gegeben sein.
Hierzu zählen:
"Depressiv wird oder depressiv reagieren kann nur, wer eine depressive Entwicklung durchgemacht hat." (Giger-Bütler (1), S. 33)
Es bedeutet, dass jemand Persönlichkeitsmerkmale aufweist, wie beispielsweise:
Auf Grundlage der hohen Vulnerabilität bildet sich in der Kindheit dann das "depressive Muster" heraus, das später im Jugend- und Erwachsenenalter irgendwann in eine latente (nicht sichtbare, im Untergrund schwelende) oder manifeste (sichtbare) Depression einmündet.
Die Depression ist also ein langer Prozess und entsteht nicht von Heute auf Morgen. Wenn jemand depressiv ist, dann ist er es schon viel länger als er glaubt.
- eine ständige, nicht enden wollende Überforderung seiner selbst und damit einhergehend eine Müdigkeit und Erschöpfung
- den Ansprüchen und Erwartungen anderer permanent gerecht werden zu wollen
- eine extreme Angepasstheit an andere, Auf-andere-ausgerichtet-sein, kein "eigenes" Leben haben (eine Art Fremdbestimmtheit)
(das Auf-andere-ausgerichtet-sein (die Fremdbestimmtheit) kann derart ausgeprägt sein, dass man später eventuell sogar gar nicht mehr weiß, wer man ist und was man im Leben eigentlich will.)
- eine panische Angst vor dem eigenen Erlöschen (Furcht vor dem "Ich-verlust" bedingt durch die extreme Anpassung an die Forderungen oder Erwartungen anderer)
- glauben, sich für andere aufopfern zu müssen
- sensible "Antennen" dafür haben, wie andere sich fühlen und was sie brauchen, aber wenig auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse achten und Rücksicht nehmen
- unfrei sein, wenig Spielraum haben, zum Sklaven seiner eigenen eingefahrenen Muster werden, nicht atmen können
- Lieblosigkeit, Unbarmherzigkeit und Härte gegen sich selbst - sich verurteilen, schlecht mit sich reden und umgehen, sich selbst übergehen
- nie den Anforderungen genügen und sich darum schuldig fühlen und noch mehr antreiben und überfordern
- nicht "Nein" sagen können, keine Grenzen setzen können, (selbst "grenzenlos" sein, die eigenen Grenzen nicht kennen)
- eine äußerliche Ruhe zeigen und von anderen vielleicht sogar bewundert werden für eine äußerlich vorgegebene Stärke (und innerlich voller Unruhe, Angespanntheit, Minderwertigkeits-und Schwächegefühle sein)
- alles mit sich alleine ausmachen, seine Probleme für sich behalten und andere nicht an sich heranlassen, sich nicht helfen lassen wollen (still leiden, ohne dass andere etwas davon mitbekommen, denn von außen ist das Leid des Depressiven, wenn er/sie latent-depressiv ist, nicht sichtbar)
- Angst und Schamgefühle haben, wenn man nicht mehr wie erwartet "funktioniert" und die Rolle, die man sich auferlegt und aufgezwungen hat, zu "spielen", nicht mehr spielen kann
- sich selbst nicht ernst und wichtig nehmen
- aggressionsgehemmt sein und Konflikte vermeiden
- sich für wertlos, minderwertig (für einen Versager) halten
- sich permanent zu etwas gezwungen fühlen: Ich soll, ich muss, ich darf nicht
- perfektionistisch sein: Nichts ist gut genug. Sich Aufgaben stellen und sich (unrealistische) Ziele setzen, die zu hoch gesteckt sind und gezwungenermaßen zum Scheitern führen, woraufhin man sich noch mehr als Versager fühlt und sich noch mehr antreibt
- eine wahnsinnige Angst davor haben, dass irgendwann die Fassade bröckeln könnte und andere merken, dass man gar nicht so stark und "strahlend" ist, wie man immer vorgegeben hat zu sein.
- eine tiefe Unsicherheit und Verunsicherung dem Leben (und den Menschen) gegenüber, eine Verlorenheit, eine tief-empfundene Ungeborgenheit und Heimatlosigkeit in sich selbst
- eine tiefe Einsamkeit
- das Leben ist nicht da, um zu leben, sondern um zu über- leben -
das Leben als "Existenz-Kampf"
- sich anderen gegenüber (tief) schuldig fühlen
- sich für sich selbst schämen
- etwas leisten müssen, um geliebt zu werden
- eigene Pläne, Wünsche, Träume sind nur in der Phantasie (im Inneren) vorstellbar (träumbar), eine Umsetzung in die Realität ist nicht möglich
"Die depressive Entwicklung ist eine notwendige Anpassungsleistung an die schwierige Situation in der Ursprungsfamilie.
Dort hat diese unheilvolle Weichenstellung stattgefunden, die den depressiven Menschen zu dem gemacht hat, was er heute ist.
Jedes depressive Verhalten baut auf dieser jahrelangen Entwicklung auf. Und jede Depression ist Ergebnis dieser in der Kindheit erworbenen Überlebensstrategie."
(Giger-Bütler(1), S.32).
Giger-Bütler betont, dass nicht jedes Kind, dass in einer schwierigen Umgebung groß wird, auch depressive Grundmuster entwickelt.
Hierbei spielt die eingangs genannte Vulnerabilität eine Rolle.
Ein "egoistisches" Kind, dass in schwierigen Familienverhältnissen aufwüchse, würde nicht depressiv werden, da es seine Rechte einfordern und sich gegen Ungerechtigkeiten wehren würde.
Ein Kind mit hoher Verletzlich- und Empfindsamkeit hingegen passt sich an und versucht so wenig "Schwierigkeiten" wie möglich zu machen.
Giger-Bütler schreibt: "Das Einfühlungsvermögen dieser Kinder und ihre Fähigkeit, allerfeinste Stimmungen wahrzunehmen, macht sie zu Profis der Empathie, aber zu Behinderten der Abgrenzung, der Selbstfürsorge und der Selbstverantwortung. Sie bestehen aus Einfühlung, Verantwortung und Schuldgefühlen.
Das Tragische dabei ist, dass solche Kinder diese Verhaltensweisen einüben, bis sie ihnen in Fleisch und Blut übergehen."
(Giger-Bütler (1), S. 40)
Die Kinder:
Giger-Bütler(2), S.76)
(Giger-Bütler(2), S. 58)
Giger Bütler hebt hervor, dass die Eltern mit der Erziehungsarbeit überfordert seien oder überfordert erschienen, was wiederum auf die Kinder überfordernd wirke. (Giger-Bütler(2), S. 76)
(Giger-Bütler(2), S. 61 ff.)
Ich zitiere erneut Giger-Bütler:
"Häufig können wir in den verschiedenen Milieus (...) sehen, dass der Vater inexistent ist.
Er ist häufig abwesend, weil er voll im Beruf aufgeht, weil er außerberuflich stark beschäftigt ist, und, was häufig noch wichtiger ist, weil er die Verantwortung für die Pflege und Erziehung der Kinder an die Mutter delegiert hat."
(Giger-Bütler(2), S. 78)
Weil die ganze Verantwortung der Kindererziehung auf den Schultern der Mutter liegt, diese frustriert ist und (die Kinder (aus- oder unausgesprochen, aber spürbar) für ihre belastende Situation verantwortlich macht), fühlen sich die Kinder schuldig.
Da der Vater nicht greifbar ist, "spüren (erwachsene Depressive), so Giger-Bütler, "in sich sehr oft eine stille, schmerzliche und nicht aufhörende Sehnsucht nach ihrem Vater, wie negativ auch
die Erlebnisse gewesen sein mögen, die sie mit ihm gemacht haben.
Das gehört vielfach zum stillen Leiden depressiver Menschen."
(Giger-Bütler(2), S. 81).
Wer sich ausführlich und eingehender mit der Entwicklung des "depressiven Musters" beschäftigen möchte, dem seien die Bücher von Dr. Josef Giger-Bütler empfohlen.
Hier noch einmal ein "echtes" Interview mit Herrn Dr. Josef Giger-Bütler am 18. Oktober 2007.
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