Der Teufel mit den 3 goldenen Haaren

oder Wie man eine Depression besiegt

 

Der Teufel mit den 3 goldenen Haaren - Ein Märchen der Gebrüder Grimm

 

  

Eine Interpretation

 

Hinweis:

Meine jetzt folgende Interpretation ist keine wissenschaftliche Abhandlung. Ich ziehe keine Quellen heran, zitiere nicht, bin keine Psychoanalytikerin. Ich habe über die Jahre hinweg ein paar Texte (unterschiedliche Bücher, querbeet) gelesen und möchte für meine Webseite das Märchen unter dem Aspekt  „Wie man eine Depression besiegen kann“ analysieren. Natürlich kann man diese Geschichte auch anders deuten (ohne auf das Thema "Depression" einzugehen).

 

Wer sich eingehender mit Symbolen, Archetypen und Träumen auseinandersetzen möchte, der sollte unbedingt die Werke von Carl Gustav Jung, dem Begründer der analytischen Psychologie, lesen.

 

 

Das Faszinierende an Märchen

Zu Anfang möchte ich sagen, dass es wirklich faszinierend ist, wie in einem Märchen mit ganz einfachen Worten, ohne Schnörkel und Ausmalungen, wirklich Grausames erzählt werden kann. Auch ohne, dass der Zuhörer oder Leser sofort denkt: „Oh, das war jetzt aber heftig.“

Nein. Entsetzliches wird nebenbei erwähnt, ohne großes Tam-Tam, fast „gleichgültig“, mit nur einem Satz. Das macht die Geschichte umso grausamer, und so ist es auch im wirklichen Leben: Grausames findet oftmals verdeckt statt, ohne dass Außenstehende es mitbekommen.

 

In einem Märchen werden oft viele Bilder (Archetypen) angeführt, die Emotionen wecken. Im Unbewussen kommen die Informationen, die gegeben werden sollen, bei fast jedem Menschen auch wirklich an, oftmals - da in Bildern ausgedrückt - verdeckt, ohne dass explizit und direkt über ein Problem gesprochen wird.

 

Märchen sind – obwohl oder gerade weil sie mit „einfachen“ Worten erzählt werden - wahre Meisterwerke. Sie handeln von der Psyche, von den zwischenmenschlichen und innerpsychischen Konflikten der Menschen und von Handlungs- und Lösungsmöglichkeiten dieser Probleme.

 

 

Hauptpersonen in dem Stück

In dem Märchen „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ haben wir eine Hauptperson,

nämlich das GLÜCKSKIND, dessen Geschichte oder Konflikt erzählt wird und einen Gegenspieler (im Grunde die zweite wichtige Person des „Stückes“, den KÖNIG).

 

 

Der innerpsychische Konflikt

Nehmen wir einmal an, dass alle Personen und Handlungsorte, die in der Geschichte auftauchen werden, einen innerpsychischen Konflikt des Glückskindes zeigen werden.

Das soll heißen: Alle Orte und alle Personen, die – neben dem Helden - in dem „Stück“ auftauchen, sind im Grunde nur innere, psychische Anteile des Glückskindes, das versucht sein Problem zu lösen.

 

 

Welche Personen tauchen in dem Märchen auf?

das Glückskind

die armen Eltern

die Dorfleute, die über die Weissagung erzählen

der König

der Mahlbursche

die Müllersleute (die „Adoptiv-Eltern" des Glückskindes)

die alte Frau im Räuberhaus

die Räuber

die Königin

die Königstochter

der Torwächter der 1. Stadt

der Torwächter der 2. Stadt

der Fährmann

das alte Mütterchen in der Hölle

der Teufel

 

Emotionsgeladene Bilder und Handlungsorte

 

Welche emotionsgeladenen Bilder und Handlungsorte tauchen in Märchen auf?"

das ursprüngliche Zuhause des Glückskindes, das Dorf, das im Reich des Königs liegt

das tiefe Wasser (der Fluss), der zur Mühle führt

die Mühle, die sich 2 Meilen entfernt von der Hauptstadt des Königs befindet

der Wald

das Schloss

die 2 Städte (Brunnen - Kröte / Baum - Maus)

der Fluss, der ins Jenseits zur Hölle führt

die Hölle

 

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Von Anfang an gibt es – HOFFNUNG – in dem Stück. Ganz gleich, was passieren wird, am Ende wird das Glückskind glücklich sein. Das wird direkt am Anfang gesagt, ohne „Wenn und Aber“.

Denn in dem Glückskind schlummern alle guten Anlagen, um glücklich zu sein, da es "ein schöner, freundlicher Junge ist" und er "in allen Tugenden" ausgebildet wurde, so dass er am Ende aktiv sein Schicksal zum Guten wenden kann, auch, wenn Fortuna es erst einmal nicht so gut mit ihm meint. Der Junge wird mit einer „Glückshaut“ geboren, und es wird ihm geweissagt, dass er die Tochter des Königs heiraten wird, wenn er 14 Jahre alt ist. Das bedeutet, das Kind hat von Anfang an...

 

...rosige Zukunftsaussichten

Er bekommt ein Königreich, hat eine Frau, die ihm – so ist zu vermuten – Kinder schenken wird – und er braucht sich um Geld keine Sorgen mehr zu machen. Die TOCHTER DES KÖNIGS steht also symbolisch für das „Glücklich-sein“ des Glückskindes.

 

Aber dem Glück steht etwas im Wege - in Gestalt des KÖNIGS. Der KÖNIG ist das Problem des Glückskindes. Der KÖNIG ist der Gegenspieler, der Verfolger, die DEPRESSION des Glückskindes. Der KÖNIG unternimmt alles nur Erdenkliche, damit das Glückskind – nicht - glücklich ist. Vielmehr: Dreimal versucht er das Glückskind umzubringen, einmal aktiv, zweimal „passiv“, d.h. mit Hilfe anderer „Personen“.

 

Und genau darum geht es in dem Stück.

Ums

 

NACKTE ÜBERLEBEN

 

Das Interessante an dem Märchen ist, das – wie bei einer Depression – etwas im Untergrund „schwelt“, etwas Schweres, Bedrohliches umgibt das Glückskind von Anfang an, ohne, dass sich das Kind dagegen wehren oder etwas unternehmen könnte, da es noch zu klein ist.

Das Einzige, was ihm helfen kann, ist seine Glückshaut, d.h. dass es einfach Glück hat und mit heiler Haut davon kommt. Gehen wir also mal an den Anfang des Stückes.

 

 

Der Verrat der Eltern -

Der Beginn der Depression

 

Eine arme Frau (seelisch oder nur materiell?) bekommt ein Kind mit einer Glückshaut.

Die Weissagung wird offenbart, dann taucht das Problem – der KÖNIG (der Widersacher, die Depression) – auf, der das glückliche Schicksal des Kindes abwenden will. Interessant ist, dass niemand den KÖNIG erkennt. Es ist irgendein Mann, der ins Dorf kommt. Die Depression, also das Problem, die NOT des Glückskindes wird an dieser Stelle den Dorf-Leuten nicht bewusst (bleibt verdeckt).

 

Der KÖNIG bietet nun den armen Eltern viel Gold für das Kind an.

(Hier ist jetzt von Eltern die Rede. Erst wurde zu Beginn der Geschichte nur die Mutter erwähnt, denn sie ist für das Kind am Anfang die wichtigste Bezugsperson, aber der Vater ist auch wichtig und wird die wichtige Entscheidung, die ansteht, mittreffen).

 

Erst zögern die Eltern, da sie den Fremden nicht kennen (vielleicht auch aus moralischen Gründen?), aber da sie denken „Wird schon schiefgehen“ (das Kind soll ja Glück im Leben haben) und „Wir brauchen ja das Geld“, so verraten die Eltern ihr Kind und verkaufen es an den König. Die Liebe scheint nicht so groß gewesen zu sein, die (psychische/physische) Not dafür umso größer.

(Dies ist nur eine mögliche Interpretation. Natürlich kann man hier auch etwas anderes deuten, dass die Eltern beispielsweise sagen:

"Wir sind so arm, dass wir dem Kind nichts oder nicht viel bieten können. Ohne uns ist das Kind besser dran. Denn wir wollen auf jeden Fall, dass das Kind glücklich ist und dass es die besten Startbedingungen ins Leben hat. Beim König hat es alles, was es sich wünschen kann. Darum geben wir es weg.")

 

Nichtsdestotrotz - was immer auch die "Wahrheit" ist - damit tritt die DEPRESSION in das Leben des Kindes.  Die Depression des Kindes – so wage ich an dieser Stelle zu behaupten - ist die Weggabe des Kindes, das Verstoßen, die Gleichgültigkeit (nach der 1. möglichen Interpretation), der Verrat, der Herzens-Bruch. Ja, man kann sagen, das Herz des Kindes wurde mit diesem „Akt“ gebrochen. Es kann gegen die Entscheidung der Eltern – das gemeinsame (Todes-)Urteil von Vater und Mutter - nichts unternehmen, da es hilflos ist.

 

Es ist noch ein Baby, es ist ausgeliefert. Bei einer Depression hat man auch das Gefühl, ohnmächtig ausgeliefert zu sein und nichts tun zu können.

 

Der 1. Anschlag auf das Glückskind und

die zweiten Eltern

 

Der KÖNIG will das Glückskind nun loswerden, reitet aus dem Dorf fort, so dass es keiner mitbekommt. Er schmeißt das Baby in einer Schachtel in den Fluss. Damit ist die Sache für ihn erledigt. Das Kind ist tot, in den reißenden Wassern ertrunken.

 

Aber das Kind will nicht sterben. In ihm ist die Kraft, den Anschlag zu überleben, was der KÖNIG jedoch nicht weiß. Das Glückskind „sucht“ sich Adoptiv-Eltern. Es hat Glück. Seine Schachtel bleibt - "2 Meilen von des Königs Hauptstadt entfernt" - am Wehr einer Mühle hängen. Der Mahlbursche rettet das Kind, und es bekommt liebevolle Müllersleute als Adoptiv-Eltern. Die Müllersleute haben keine Kinder, sind finanziell offenbar ganz gut gestellt (es ist nicht die Rede davon, dass sie arm sind, also scheinen sie psychisch und physisch für die Aufgabe der Kindererziehung gerüstet zu sein). Sie wollen Kinder haben, freuen sich über den Jungen, ganz im Gegensatz zu den ersten Eltern. Die "Adoptiv-Eltern" sagen: "Gott hat uns dieses Kind geschenkt." So ziehen sie das Kind bis zu seinem 14. Lebensjahr groß und geben ihm auch eine gute Ausbildung fürs Leben mit.

Das Glückskind wächst also nun 14 Jahre lang sicher und behütet auf. Es befindet sich nicht in der Hauptstadt des Königs, sondern 2 Meilen davon entfernt, in einer Mühle am Rande der Stadt. Somit wird ihm die Zeit und Sicherheit gewährt, sich von dem Schock, den es als Baby erlitten hat, zu erholen. Regenerieren kann das Kind sich. Aber vergessen kann es dieses lebensbedrohliche Ereignis nicht. In den Tiefen des Unbewussten schlummert es und wartet nur darauf geweckt zu werden.

 

 

 

Die Pubertät – Rückkehr der Depression

 

Das Glückskind befindet sich nun mit 14 Jahren in der Pubertät. Dies ist eine krisenhafte Zeit, in der man über sein Leben und den Tod nachdenkt. Man hat erkannt (vielleicht schon mit 9 Jahren oder etwas später), dass man sterblich ist, interessiert sich für philosophische Fragen, die Suche nach sich selbst (Wer bin ich und was will ich im Leben?), Liebe/Sexualität werden nun wichtige Themen, und Vieles, was man von den Eltern gelernt und bekommen hat, beginnt man in Frage zu stellen. Mit 14 war man zur damaligen Zeit wohl auch schon heiratsfähig. So auch das Glückskind. Mit 14 betritt es die Schwelle zum Erwachsen-Sein. Im Hintergrund schwebt nun also die Weissagung: Mit 14 soll das Kind glücklich sein und die KÖNIGSTOCHTER heiraten. Das heißt, es steht eine Entscheidung an. Wie wird das weitere (erwachsene) Leben des Glückskindes verlaufen? Wird es glücklich oder unglücklich sein? Welchen Weg wird es einschlagen?

 

Die Depression oder Nicht-Liebe kehrt zurück. Das, was als Baby passiert ist, taucht in dem Glückskind wieder auf. Es wurde nicht geliebt, wurde weggegeben und sollte umgebracht werden. Dieses Problem ist noch nicht gelöst. Wie soll man ein glückliches Leben führen, wenn man – vom Ursprung her - nicht geliebt wurde? Dieses Problem – die Depression - taucht nun wieder in Gestalt des KÖNIGS auf, der – durch Betreten der Mühle – erfährt, dass das Glückskind überlebt hat.

 

Der 2. Anschlag auf das Glückskind

Der König versucht jetzt ein zweites Mal, das Kind umzubringen und sein Glück (Heirat mit seiner TOCHTER) zu verhindern, aber diesmal soll das Glückskind sich selbst dem Tod ausliefern und sein Todesurteil selbst in Form eines wichtigen Briefes an die KÖNIGIN überbringen, für den es auch noch 2 Goldmünzen als Lohn bekommen soll. Der Brief ist also von äußerster Wichtigkeit.

 

Das Glückskind muss spüren, dass der Brief des KÖNIGS bedeutsam ist, d.h. dass es mal wieder mit seinem Leben zu tun hat und dass es in Gefahr ist. Im Märchen heißt es, dass sich der Junge auf seinem Weg zum Schloss mit dem Brief „verirrt“, aber das ist natürlich „Blödsinn“. Das Glückskind braucht Zeit, um nachzudenken. Es ist Nacht, es ist dunkel, Mond-Zeit. Weibliche Zeit, in der Weichheit und Trauer zugelassen werden können. Zeit, um tief in sich hineinzuspüren, in die eigene Seele. Der tiefe, dunkle Wald ist das Unbewusste des Glückskindes. Eine Nacht lang versenkt sich der Junge in sich selbst. Er überschläft die Situation, in der er sich befindet. In einem Räuberhaus im Wald findet der Junge eine (weise?) alte Frau (wiederum die weiche, barmherzige Seite in dem Glückskind), die es fragt:

 

„Wo kommst du her? (Aus welcher Situation?) Und wo willst du hin?“ (In welche Richtung deines Lebens willst du gehen?)

 

Und er erzählt ihr von dem (über-)lebenswichtigen Brief an die KÖNIGIN. Sie warnt ihn vor den Räubern, die nach Hause kommen und ihn vermutlich umbringen werden, wenn sie ihn finden.

 

Aber das Glückskind hat keine Angst vor den Räubern.

Warum auch?

1. Umgebracht werden soll es ohnehin, das kennt es ja schon zur Genüge.

Und 2. weil die Räuber rebellische, helfende Anteile der Psyche des Glückskindes sind. Rettende Anteile, die gegen den KÖNIG rebellieren. Sie sind es auch, die den Brief für das Glückskind öffnen, die die Wahrheit für das Glückskind ans Licht bringen und nicht wollen, dass das Glückskind die eigene Todesbotschaft überbringt. Das bedeutet auch hier wieder:

Das Glückskind hat sich entschieden.

 

Es will leben.

Es will nicht untergehen.

Es will glücklich sein.

 

Der rebellische Teil in ihm schreibt den Brief um. Mit dem abgeänderten Inhalt macht sich das Glückskind also am anderen Morgen auf den Weg ins Schloss zur KÖNIGIN und der KÖNIGSTOCHTER und wird mit ihr vermählt. Damit hat das Glückskind den Untergang, den zweiten Anschlag, abgewendet. Aber das Problem ist noch nicht gelöst, denn sein Widersacher, die im Untergrund schwelende Depression – der KÖNIG – ist immer noch da.

 

Der 3. und letzte Anschlag auf das Glückskind

 

Der König will das Glückskind nun endgültig loswerden. Gut, das mit dem Fluss und dem Brief hat nicht funktioniert. Aber den Teufel und die Hölle wird das Glückskind nicht überleben. So schickt der KÖNIG das Kind zum Teufel („jemanden zum Teufel schicken“ - eine bekannte Redewendung), mit der Aufgabe, ihm 3 goldene Haare von dem Haupte des Teufels zu holen. Das ist im Grunde eine unlösbare Aufgabe. Der Teufel ist übermächtig. Der Teufel holt die Seelen der Menschen. Er ist ein Menschen- und Seelenfresser. Aber die Aufgabe soll das Glückskind ja auch gar nicht lösen.

 

Der Weg zu sich selbst

Das Glückskind willigt in diese Aufgabe ein, denn es möchte die KÖNIGSTOCHTER behalten. Es möchte glücklich sein. Nun beginnt eine Wanderschaft. Vielleicht kann man es mit einer Pilgerreise vergleichen. Eine Wanderschaft dauert länger. Es ist ein Weg zu sich selbst. Das Glückskind begibt sich auf den Weg zur Hölle. Das heißt, es ist bereit, sich seinem eigenen Abgrund, seinen tiefsten Ängsten zu stellen und sich in allerhöchste Gefahr zu begeben, d.h. eine (Er-)Lösung zu finden, um glücklich zu sein.

 

Bevor es die Hölle betritt, bekommt es allerdings noch 3 Fragen mit auf den Weg. Wenn es diese 3 Fragen beantworten / lösen kann, dann wird es glücklich sein.

 

Wiederum sind die Orte und Personen, die dem Glückskind nun begegnen, Anteile seiner Seele.

 

1. Der Brunnen

Es kommt zu einer großen Stadt und zu einem Torwächter (Teil der Psyche des Glückskindes), der diese Stadt beschützt. Der Wächter fragt ihn, welchen Beruf er erlernt hat und was er weiß.

 

Das Glückskind sagt, es weiß alles. Und das ist auch wahr. Denn nur das Glückskind kennt die Antwort auf seine psychischen Probleme. Der Wächter sagt, dass sie ein Problem in der Stadt haben. Ein Markt-Brunnen, der sonst Wein gab, ist versiegt. Er gibt nicht einmal mehr Wasser. Er ist ausgetrocknet, und sie kennen den Grund nicht.

 

Ein Brunnen ist ein symbolisches Bild.

Man muss in die Tiefe hinabsteigen, um das Problem zu suchen und zu lösen.

Wasser ist überlebenswichtig. Wein steht – in der christlichen Tradition – auch für Blut. Damit auch wieder für das pulsierende Leben. Für die Lebensenergie, die im Fluss ist – das Herz.

Es gibt etwas (in der Stadt = in dem Inneren des Glückskindes), dass die Lebensenergie blockiert, etwas, dass das Wasser nicht mehr quicklebendig und befreit und voller Energie sprudeln lässt.

 

Das Glückskind verspricht, mit einer Antwort auf diese Frage zu dem Torwächter zurückzukehren.

 

2. Der Apfelbaum

Es kommt in eine zweite Stadt und zu einem zweiten Torwächter (Teil der Psyche des Glückskindes), der diese Stadt beschützt. Der Wächter fragt ihn, welchen Beruf es erlernt hat und was es weiß. Das Glückskind sagt, es weiß alles. Und das ist auch wahr. Denn nur das Glückskind kennt die Antwort auf seine psychischen Probleme. Der Wächter sagt, dass sie ein Problem in der Stadt haben. Ein Baum, der sonst goldene Äpfel getragen hat, bringt nun nicht einmal mehr Blätter hervor.

 

Ein Baum ist etwas, dass man zuvor gesät oder gesetzt hat. Vermutlich steht ein Baum für Ziele und Projekte (auch Kinder), die man im Leben gemacht hat. Man sät, bearbeitet den Baum, pflegt und hegt ihn und möchte dann auch irgendwann einmal im Leben die Früchte (seiner Mühen und Arbeit) ernten und seine Erträge genießen. Aber was ist, wenn man gesät hat und nicht ernten kann? Wenn die Ziele und Projekte, die man hatte, scheitern? Wenn sie zu nichts führen? Was ist der Grund, dass man nicht ernten und genießen kann?

 

Ein Baum kann auch für eine Person selbst stehen. Der Baum ist wie ein Mensch. Ein Baum hat – wie ein Mensch – Wurzeln, und sein Kopf streckt sich dem Himmel entgegen. Was ist geschehen, wenn ein Baum verdorrt ausschaut? Wenn er nicht blüht und keine Früchte trägt?

 

Was ist mit einem Menschen geschehen, wenn er nicht mehr lachen kann? Wenn er schlecht aussieht und krank ist? Wenn er sein Leben nicht leben kann? Wenn er sich im Leben nichts aufbauen kann? Wenn seine Ziele, Hoffnungen und Träume scheitern?

 

Das Glückskind verspricht, mit einer Antwort auf die Frage, warum der Baum nicht mehr blüht, zu dem Torwächter zurückzukehren.

 

3. Der Fährmann

Jetzt nähert sich das Glückskind schon der Hölle, dem Jenseits, dem Essentiellen. Es kommt dem Tod ganz nah. Der Fährmann bringt das Glückskind an das jenseitige Ufer, wo es diese 2 essentiellen Fragen, die es sich (mittels der Torwächter) selbst stellt, lösen will. Aber auch der Fährmann hat noch eine Frage. Es gibt noch eine dritte Frage. Warum er immer – tagein, taugaus – hin- und herfahren muss in seinem Boot und niemand kommt, der ihn ablöst.

 

Der Fährmann erfüllt eine Pflicht, die er sich selbst auferlegt hat. Er hat ein Verhalten und eine Gewohnheit etabliert, von der er nun nicht mehr loskommt. Er ist in einer Tretmühle gefangen. Dabei ist er kreuz-unglücklich, verzweifelt, aber er weiß nicht, wie er seine Situation ändern kann.

 

Das Glückskind verspricht, mit einer Antwort auf diese Frage zu dem Fährmann zurückzukehren.

 

Die Hölle

Nun geht’s ans „Eingemachte“. Das Glückskind betritt "die Höhle des Löwen". Es kommt jetzt mit seinen essentiellen Lebensfragen, mit seinen tiefen, seelischen Konflikten zum Kern seines Selbst und begibt sich damit in höchste Gefahr. Es betritt die Hölle, wird aber nicht vom Teufel, sondern von einem alten, weisen Mütterchen empfangen, wiederum – wie die Alte im Räuberhaus – ein weiblicher, weicher, barmherziger Teil - der wie ein abmildernder Puffer zwischen dem Glückskind und dem Teufel (der kalten, grausamen, alles verzehrenden und vernichtenden, unerträglichen nackten Wahrheit) stehen soll. Denn das Glückskind soll ja nicht an der Wahrheit zerbrechen oder zugrunde gehen. (Wenn man bedenkt, wie grob der Teufel schon mit dem alten Mütterchen, das er kennt, spricht... Nicht auszudenken, wie er mit dem Glückskind reden würde, wenn es direkt mit ihm sprechen würde.... Der Teufel droht schon seinem alten Großmütterchen in gehörigem Maße, dass er sie "fertigmachen" würde, wenn sie ihn in seinem Schlaf stören würde. Es ist also besser und sicherer, wenn das alte Mütterchen anstelle des Glückskindes spricht.) 

 

Das Glückskind erzählt also der Alten, dass er 3 goldene Haare vom Haupte des Teufels und 3 Fragen beantwortet haben möchte, sonst könne er seine Frau nicht behalten. Das heißt ganz konkret, dass er sein Glück (und vielleicht auch sein Leben) verlieren wird, wenn er seine Probleme nicht löst. 

 

Das Mütterchen verwandelt das Glückskind in ein Tier – eine winzige Ameise – damit der Teufel es weder sehen noch riechen und auffressen kann. Sie verbirgt das Glückskind in ihren Rockfalten, reißt dem Teufel – im Schlaf – 3 goldene Haare aus, und der Teufel beantwortet die 3 wichtigen Fragen.

 

Die Beantwortung der Fragen

Diese Antworten überbringt das Glückskind nun dem Fährmann und den Torwächtern, also seinem Unterbewusstsein.

1. Gib die Ruderstange ab. Hör auf, Dinge zu tun, die du immer schon gemacht hast, die dich aber unglücklich machen. Lass dein Pflichtgefühl sausen. Verändere deine Gewohnheiten, ändere dein Verhalten, ändere dein Leben. Dann wirst du glücklich sein.

2. Töte die Maus, die an der Wurzel des Baumes nagt. Geh zu deiner Wurzel, zu deinem Ursprung, zu deiner Ursprungsfamilie zurück. Schau dir das Problem an, beseitige das Problem. Damit können auch negative, hinderliche Glaubenssätze gemeint sein. Etwas, was dich innerlich zerstört, was in dir nagt. Vielleicht musst du Frieden mit etwas schließen. Aber du musst das Problem auf jeden Fall beseitigen, sonst wird „dein Baum verdorren“.

3. Finde die Kröte, die unter einem Stein im Brunnen sitzt und töte sie.

 

Sicher kennst du den Ausdruck:

Man muss eine fette Kröte schlucken.

Übersetzt heißt das: Es gibt eine schmerzhafte Wahrheit. Etwas Unerträgliches. Etwas, dass einen umhaut. Dass einen fertig macht. Vielleicht muss man ein schreckliches Familiengeheimnis aufdecken.

 

Für das Glückskind besteht die fette Kröte in der Tatsache, dass die Eltern es nicht geliebt und es einfach weggeben haben. Dass es nicht liebenswert war (ist).

 

Was muss man tun,

um eine Depression zu besiegen?

1. Man muss sich die fette Kröte anschauen. Das Kern-Problem. Man muss den Stein hochheben und sich das Schreckliche anschauen. Und es beseitigen, indem man darüber spricht oder auch trauert.

 

2. Wenn man sich eine fette Kröte anschaut, kehrt man unweigerlich zur Wurzel (der Problems) zurück, d.h. Man muss sich den Ursprung anschauen. Wo, wann, wie ist das Problem tatsächlich entstanden? Man muss das Wurzel-Problem lösen / beseitigen.

 

3. Als Letztes alte Sachen/Gewohnheiten/Verhaltensweisen aufgeben und neue Gewohnheiten etablieren. Gewohnheiten und Verhaltensweisen einüben, die einen glücklich machen.

 

Die letzte Tat – (Lösung des Konfliktes)

Alle 3 Punkte hat das Glückskind verstanden, indem es die Botschaft (seiner Seele) den 3 Instanzen übermittelt hat. Dafür, dass es sich seinem Problem gestellt und der Wahrheit ins Gesicht geschaut hat, wird es reichlich belohnt (im Märchen mit 4 Eseln, die mit Gold beladen sind)

 

Nachdem es die Botschaften überbracht hat, kehrt es nach Hause zur KÖNIGSTOCHTER zurück und überbringt dem KÖNIG die 3 goldenen Haare. Und das Glückskind hat jetzt für sich selbst und sein Leben eine tiefgreifende Entscheidung getroffen:

 

Es will die Depression ein für alle Mal aktiv besiegen und beseitigen.

Es will, dass die Depression verschwindet, auf immer und ewig.

 

Darum schickt es seinen Widersacher (seine Depression) – den KÖNIG – als dieser fragt, woher es das viele Gold hat, zum Fährmann.

Das GLÜCKSKIND verbannt den KÖNIG (die Depression), ganz bewusst.

„Geh zum Fährmann“, sagt es. Aber eigentlich sagt es: "Geh zur Hölle."

(Ich will dich nie wieder sehen).

 

Der Fährmann gibt dem KÖNIG die Ruderstange in die Hand und springt (fröhlich und befreit) davon. Der KÖNIG (die Depression) wird gebunden, „dingfest“ / unschädlich gemacht. Der KÖNIG verliert auch an MACHT. Der KÖNIG ist nicht länger KÖNIG. Er wird zum FÄHRMANN. Das Glückskind und die Königstochter werden den KÖNIG also nie wiedersehen. Er ist verschwunden.

 

Die Weissagung hat sich erfüllt. Das Glückskind lebt damit zufrieden und glücklich mit der Königstochter zusammen und hat seine schreckliche Vergangenheit aufgearbeitet.

Wahrscheinlich wird vorübergehend nun auch erst einmal die KÖNIGIN über das Reich herrschen, da der KÖNIG für immer fort ist. Das bedeutet: Die weibliche, weiche Seite obsiegt (in dem Glückskind). (Denn auch die KÖNIGIN ist nur ein seelischer Anteil des Glückskindes). Aber irgendwann wird das Glückskind zusammen mit seiner Frau das Königreich übernehmen und glücklich über das eigene Reich herrschen.

 

Schluss-Bemerkung:

Dieses Märchen ist einfach unglaublich ("der Hammer" :-). Märchen werden im Volk erzählt und weitergetragen. Man könnte meinen, ein Psychoanalytiker hätte diese Geschichte an seinem Schreibtisch verfasst, aber nein, es war die Volksseele. Wie klug und tiefgründig die Völker doch sind, oder? :-) Ich - meinerseits - bin schwer begeistert.